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Europameisterschaften der Behindertensportler

(se) Dieter Meyer gewinnt die Silbermedaille bei den Tischtennis-Europameisterschaften der Behindertensportler in Kranjska Gora (Slowenien) im Team-Wettbewerb

Trotz Trainingspause in der Vorbereitungsphase wegen einer Verletzung am linken Ellenbogen und linken Knie und "Schlägerbruch" während des Wettbewerbs, bedeutet der Gewinn der Silbermedaille im Teamwettbewerb an der Seite von Jochen Wollmert eine positive Überraschung.

Dabei begann bereits der erste Tag sehr stressig, denn als Dieter Meyer seine zweite Trainingseinheit beginnen wollte, mußte er die Strapazen einer 1,5-stündigen Dopingkontrolle über sich ergehen lassen. Beim ersten Wettbewerb stand er in der Offenen Klasse dem finnischen Europameister aus dem Jahre 2005 Kimmo Jokinen gegenüber. Nach einer Eingewöhnungsphase konnte der linksseitig spastisch gelähmte Sportler die Partie gegen den "weniger gehandicapten" Finnen offen gestalten und hatte bei einer 10:8 Führung im 4. Satz die Möglichkeit, den Entscheidungssatz zu erzwingen. "In dieser Situation hat Kimmo wahnsinnig gut gespielt und meine Satzbälle abgewehrt. Die Leistung in der Offenen Klasse brachte mir zwar keine Punkte für die Weltrangliste, aber Zuversicht für das restliche Turnier. Schade ist, dass zwei meiner direkten Konkurrenten durch eine "einfache" Auslosung viele Punkte für Peking sammeln konnten", kommentiert Meyer das Abschneiden in der Offenen Klasse.

Am Tag darauf standen die Vorrundenspiele in der Einzelkonkurrenz an und Meyer hatte mit dem Weltranglistenzweiten Messi (Frankreich) und dem Italiener Scazzieri zwei "harte Brocken", und mit Milikovic (Bosnien-Herzegowina) einen nicht so spielstarken Konkurrenten in seiner Gruppe. Gegen den Franzosen Messi agierte Dieter Meyer sehr nervös und teilweise hektisch; "Ich hatte mich nach den beiden Siegen in den letzten Turnieren über meinen ehemaligen Angstgegner zu sehr unter Druck gesetzt, denn mir war bewußt, dass ich bei einem Sieg als Gruppenerster bereits im Viertelfinale stehen würde. Ich konnte nur teilweise den notwendigen Druck aufbauen", analysierte Dieter Meyer selbstkritisch.

Im Spiel gegen Scazzieri spielte der Unterreichenbacher wieder "Schach am Tisch" - das heißt er nutze das gegnerische Handicap mit taktischen Spielzügen geschickt aus und setzte seinen Gegner klar und deutlich mit 3:0 matt. Im Achtelfinale wartete auf Dieter Meyer mit David Bayley der Shooting-Star aus England, der bei den German-Open in Wuppertal noch in der Wettkampfklasse 6 erfolgreich war; aber mit variablen Spinwechseln und präzisen Plazierungen ließ er dem Talent von der Insel beim 3:0 Sieg keine Chance.

Im Viertelfinale kam es zur Wiederholung des Matches aus dem Jahr 2006, wo er gegen den Spanier Alvaro Valera nach 2:0 Satzführung im Mannschaftsfinale das Eröffnungsspiel mit 11:9 im Entscheidungssatz gewonnen hatte. In Kranjska Gora brauchte Meyer zwei Sätze um ins Spiel zu finden und die sehr gefährlichen Konterbälle mit langen Noppen zu "lesen" und zu entschärfen. "Nachdem ich den 2. Satz knapp zu 9 verloren hatte, war mir klar, dass ich noch alle Chancen hatte. Sehr viele lange Ballwechsel brachten mich immer mehr ins Match, so dass ich die Sätze 3 und 4 gewinnen konnte." Im 5. Satz nahm das Drama seinen Lauf, denn beim Spielstand von 2:3 brach sich Meyer bei einem Hechtsprung innerhalb eines Ballwechsels seinen Schläger. "Plötzlich hielt ich nur noch den Griff in der Hand. Der Wechsel zum Ersatzschläger war wahrscheinlich das spielentscheidende Moment, denn das Holz war noch kalt und ich brauchte etwas um die Bindung zu diesem herzustellen. Diese Unsicherheit ließen mich mit 4:8 in Rückstand geraten." Durch seinen Kampfgeist schaffte es Meyer sich bis zum 9:9 wieder heranzukämpfen und sich sogar durch einen Rückhandschuß einen Matchball zu erarbeiten, allerdings konnte der Spanier "den Kopf wieder aus der Schlinge ziehen" und die nächsten 3 Punkte für sich verbuchen. "Nach dem Spiel war ich sehr frustriert, denn das wäre die Fahrkarte nach Peking gewesen. Wie gut Alvaro an diesem Tag drauf war zeigt, daß er im Anschluß keinen Satz mehr im Halbfinale gegen Jochen Wollmert und im Finale gegen seinen Teamkollegen Jordi Morales abgegeben hat. Valera ist verdient Europameister. Aber es zeigt mir deutlich, dass ich in dieser Tagesform zumindest einen Medaille gewonnen hätte, vielleicht sogar Gold möglich war. Hätte ich den Matchball genutzt, hätte ich wahrscheinlich die doppelte Zahl an Weltranglistenpunkten erreicht, als Europameister wäre ich sogar direkt für Peking 2008 qualifiziert."

Im Teamwettbewerb mußte Meyer gegen England sich wiederum mit David Bayley auseinandersetzen und gewann deutlich mit 3:0. Auch im zweiten Gruppenspiel gegen Tschechien konnte er beim Erfolg gegen Zbynek Lambert (Nr. 8 der Welt) überzeugen und ihn in einem hochklassigen Spiel mit 3:0 schlagen. Mit diesen beiden deutlichen Erfolgen gegen England und Tschechien war der Einzug in das Halbfinale perfekt, wo mit Italien der amtierende Europameister wartete. Dort mußte Meyer zwar im Einzel seine erste Niederlage im Teamwettbewerb gegen sein Angstgegner Andrea Furlan einstecken. Im Doppel mit Jochen Wollmert spielte Dieter Meyer sehr stark, so dass die Revanche für das verlorene EM-Finale von 2005 mit 3:1 gelang und mit dem Einzug ins Endspiel belohnt wurde.

Im Finale stand Spanien. Gegen einen sehr überzeugenden Valera, der an diesem Tag alles traf, fand Meyer kein Mittel; das Einzel war weg. Wollmert punktete zwar, aber der Verlust des Doppels, welches mit 11:9 im Entscheidungssatz von den Spaniern entschieden wurde, bedeutete die 3:1 Niederlage und damit Platz 2 - immerhin!

Das Turnier gezeigte, dass die Spitze sehr eng zusammengerückt ist und eine optimale Vorbereitung und sehr gute Tagesform den Unterschied ausmachen. Trotz Meyers verkorkste Vorbereitung bedeutet der Gewinn der Silbermedaille für ihn einen großen Erfolg, wenn auch der Schritt nach Peking noch nicht vollzogen werden konnte. Beim Weltcup-Turnier in Pula im Dezember wird Meyer versuchen, die noch notwendigen Weltcup-Punkte zu sammeln. Nach den US-Open Ende Dezember nominiert der Deutsche Behindertensportverband (DBS) den Kader, der zu den Paralympics in Peking fährt. Wir alle drücken Dieter Meyer sämtliche Daumen, daß er es dorthin packt!

Rolf Beck

Fachwart Tischtennis HBRS e.V.

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